Theodor Rehbock

Theodor Rehbock war zwischen 1899 und 1934 Inhaber des Lehrstuhls für Wasserbau an der Technischen Hochschule Karlsruhe. In den Jahren 1907/1908, 1917/1918 und 1925/1926 war er zudem Rektor der Hochschule (Wittmann 1949:26ff.).
Rehbock war zeitweise stellvertretender Vorsitzender des Ablegers der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG) in Karlsruhe. In dieser Funktion war er u.a. auch Vorsitzender des Ausstellungskomitees für die Deutsch-Koloniale Jagdausstellung 1903 in Karlsruhe, die dazu beitragen sollte, das Interesse der Bevölkerung an den Kolonien zu steigern (Rehbock 1903:6-12).

Der 1894 in Amsterdam geborene Rehbock entstammte einer Familie, die sich wegen der Leitung eines Handelshauses durch seinen Vater Alexander Rehbock schon länger für koloniale Unternehmungen in Indien einsetzte (Wittmann 1949:28). Rehbock studierte in München und Berlin Bauingenieurwesen und arbeitete unter anderem am Entwurf der „Lüderitzbrücke“ in Bremen und zwei Jahre am Deutschen Reichstag mit, bevor er sich 1894 als beratender Ingenieur in Berlin niederließ. Von dort aus unternahm er Reisen durch Europa, nach Nord- und Südamerika und nach Südafrika im Auftrag des „Syndikates für Bewässerungsanlagen in Deutsch-Südwestafrika“ (Wittmann 1949:26f.). Solche Forschungsreisen waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts bewaffnete und gut ausgerüstete Expeditionen, durch die Afrika der Wissenschaft erschlossen und gegebenenfalls für die Industrie nutzbar gemacht werden sollte. Auffällig ist, dass sich die Interessen zwischen Wissenschaft und Industrie teilweise stark ähnelten. Auch wenn solche Forschungsreisen häufig privater Natur waren und nicht von der Regierung finanziert wurden, begriffen sich viele Forschungsreisenden grundsätzlich als „Repräsentanten und Wortführer der ‚Zivilisation‘ und glaubten, über besondere Rechte und Pflichten zu verfügen“ (Leclerc 1973:14).

Die Expedition zur „Untersuchung der Wasserverhältnisse des Schutzgebietes“ dauerte vom 24.07.1896 bis zum 16.11.1897, wovon Rehbock nur die Zeit von Oktober 1896 bis Oktober 1897 tatsächlich in Deutsch-Südwestafrika zubrachte (Rehbock 1898:1-22). In seinem Bericht „Deutsch-Südwest-Afrika. Seine wirtschaftliche Erschliessung unter besonderer Berücksichtigung der Nutzbarmachung des Wassers. Bericht über das Ergebnis einer im Auftrage des ‚Syndikates für Bewässerungsanlagen in Deutsch-Südwest-Afrika‘ durch das Herero- und Gross-Namaland unternommene Reise“ legte Rehbock detailliert seine Reise durch Deutsch-Südwestafrika, seine Eindrücken und vor allem die Nutzbarmachung des Wassers in den jeweilig besuchten Gebieten dar.

Die Erschließung des Landes sah er dabei sehr eng verknüpft mit der „Wasserfrage“. Das Land sollte erschlossen werden, um es für eine deutsche Einwanderung nutzbar zu machen. Rehbock sah in Deutsch-Südwestafrika also eine Siedlungskolonie. Gerade auch deshalb findet sich in seinem Bericht ein Teil, in dem er darlegt, welche Berufe Einwanderer ausüben könnten und gebraucht würden, wie und wo sie Viehzucht betreiben sollten und was es bei einer Einwanderung zu bedenken gäbe (Rehbock 1898:174-203). Seiner Meinung nach sollte die Einwanderung zur „Kräftigung der wirtschaftlichen und politischen Stellung des Mutterlandes“ nach Deutsch-Südwestafrika stärker gefördert werden, da „[d]ie wichtigste Grundbedingung für die Erschliessung Deutsch-Südwest-Afrikas […] natürlich die Besiedelung des Landes mit Europäern [ist], da die Vermehrung der weissen Bevölkerung die Voraussetzung jedes wirtschaftlichen Aufschwunges ist. Aus politischen Gründen wird es wünschenswert, namentlich oder ausschliesslich deutsche Ansiedler heranzuziehen, damit eine möglichst einheitliche Bevölkerung entsteht, die dem Mutterlande wirtschaftlich und politisch die grössten Vorteile bietet“ (Rehbock 1898:212f.). Dazu schlug er die Schaffung einer „Auswanderungsbehörde“ vor, die in Deutschland über die Aussichten einer Auswanderung nach Deutsch-Südwestafrika aufklärt, die im „Schutzgebiet“ zu besetzenden Stellen bekannt gibt, schon im Reich die geeigneten Leute auswählt, günstige Transportbedingungen erwirkt und Vorschüsse und Reiseunterstützung vermittelt (Rehbock 1898:215). 

Insgesamt folgt Rehbock in seiner Beschreibung der einheimischen Bevölkerung der eugenischen und auch herabwürdigenden Erzählweise der Zeit. So berichtet er beispielsweise von einer Begegnung einer größeren Gruppe von Menschen, die er „Bastards“ bezeichnet, die eine „Kreuzung“ (auch dieses Wort spiegelt rassistische Sprache wider) zwischen Buren und Personen aus der Volksgruppe der Khoikhoi seien: „Die Bastards, von denen grössere Gemeinden in Rehoboth, bei Rietfontein und bei Grootfontein im Namalande wohnen, sind aus der Kreuzung von Boeren mit Hottentottinnen entstanden“ (Rehbock 1898:13). Zudem spricht sich Rehbock positiv darüber aus, dass ein Missionar es geschafft hätte, diesen Menschen Zucht und Ordnung sowie ein patriarchales Weltbild zu vermitteln:
„In Rehoboth stiegen wir bei dem einflussreichen und hochgeachteten Missionar Heidmann ab, der die Bastards bereits im Jahre 1868 bei ihrem Eintritt in das jetzige deutsche Schutzgebiet begleitete und dem es wohl in erster Linie zu danken ist, dass die Bastards es zu einem geordneten, auf patriarchalische Anschauungen und kirchlicher Zucht begründeten Gemeinwesen und zu leidlichem Wohlstande gebracht haben“ (Rehbock 1898:14).

Nach der Reise setzte sich Rehbock weiterhin dafür ein, dass das Deutsche Reich vermehrt Gelder in die Erschließung Deutsch-Südwestafrikas investieren sollte. Die Fokussierung auf dieses Gebiet rührte vor allen Dingen daher, dass er die tropischen Gebiete zwar als geeigneter ansah, um Handelswaren zu liefern, diese sich allerdings nicht als Lebensraum für Europäer eigneten (Rehbock 1904:5f.): „Nur in Südwestafrika, als der einzigen Siedlungskolonie des Reiches, kann ein Neudeutschland entstehen […].“ (Rehbock 1904:44) Tatsächlich rückte ab 1890 Ostafrika ins Zentrum der Kolonialpolitik (Bendikat 1984:118) – was Rehbock zu ändern versuchte.

1899 in Karlsruhe angekommen, belebte Rehbock die Deutsche Kolonialgesellschaft mit  Geheimrat Prof. Dr. Adolf von Oechelhäuser neu, nachdem der vorherige Vorstand seine Ämter niedergelegt hatte, ohne für Nachfolger zu sorgen. Er wurde dabei für viele Jahre zum stellvertretenden Vorsitzenden. In dieser Zeit schaffte es die DKG Karlsruhe, dass die Hauptversammlung der   DKG in Karlsruhe stattfand. Hierfür wurde extra eine Ausstellung, die Deutsch-koloniale-Jagdausstellung, erstellt, die „größte[…] Schau kolonialer Jagd-Trophäen, die jemals in Deutschland stattgefunden hat.“ (Rehbock 1941, KIT Archiv, Bestandsnr. 27025 – Signatur-Nr. 20).

Fast schon zynisch mutet es an, dass Theodor Rehbock seine zweite Schrift zur „Nutzbarmachung“ der Gebiete in Südwestdeutschland, „Deutschlands Pflichten in Deutsch-Südwestafrika“ im Jahr 1904 veröffentlichte, dem gleichen Jahr, in dem die Herero-Widerstände begannen und die Deutsche Schutztruppe unter dem Befehl von Trothas den Großteil der schon besiegten Herero in die Omaheke Wüste trieben und verdursten ließen (vgl. Gründer 2012:130f.). Rehbock sah in den Widerständen der Einheimischen eine günstige Gelegenheit, um die erhöhte Aufmerksamkeit für Deutsch-Südwestafrika innerhalb der deutschen Bevölkerung zu nutzen und für die Besiedelung des Gebietes zu werben:

„Deutsch-Südwestafrika steht zurzeit unter den deutschen Schutzgebieten im Vordergrund des Interesses. Die schweren, der jungen Kolonie durch Aufstände der Eingeborenen zugefügten Schläge haben derselben in der deutschen öffentlichen Meinung diejenige Beachtung verschafft, die sie als das einzige mit einem gesunden subtropischen Klima gesegnete deutsche Schutzgebiet, als die einzige Siedlungskolonie des deutschen Reiches von jeher hätte beanspruchen können“ (Rehbock 1904:5).

In seiner Schrift kämpfte er gegen das „schlechte Image“ an, das Deutsch-Südwestafrika seiner Meinung nach zu Unrecht genoss und versuchte aufzuzeigen, dass dies leicht durch eine gezielte Nutzbarmachung des Wassers geändert werden könne:

„Wer nicht mit eigenen Augen gesehen hat, wie selbst das dürrste Wüstenland, sobald ein Bewässerungskanal ihm das lebenspendende Wasser zuführt, in ein üppiges Gartenland verwandelt wird, dem kann man es in der Tat nicht verdenken, wenn er an die Zukunft Deutsch-Südwestafrikas nicht glaubt.“ (Rehbock 1904:6)

Tatsächlich war das Interesse von Investoren an Deutsch-Südafrika schon früh erloschen, als klar wurde, dass sich das Gebiet nicht zum Abbau von Mineralien eignete (Gründer 2012:121).

Seine eigene Aufgabe sah Rehbock darin, über die Eignung des Gebietes zur Auswanderung aufzuklären: „Bei dieser Sachlage ist es als eine wichtige Aufgabe im Interesse unseres südwestafrikanischen Besitzes zu bezeichnen, aufklärend in der Heimat zu wirken.“ (Rehbock 1904:7) Tatsächlich war es im Deutschen Reich nicht gerade populär, in die Kolonien auszuwandern. In die Kolonien gingen, so die landläufige Ansicht in Deutschland, nur die Verlierer, diejenigen, die ein finanzielles oder ein persönliches Problem hätten. Selbst Kaiser Wilhelm II soll sich teilweise abfällig über Personen geäußert haben, die in die Kolonien gingen (Speitkamp 2016:36).

„Deutschlands Pflichten in Deutsch-Südwestafrika“ sah Rehbock letztendlich gerade darin, dass mehr Geld in die wirtschaftliche Erschließung des Gebietes investiert werden müsse. Wäre das Land erstmal erschlossen, hätte „das Deutsche Reich seine Kulturmission in Südwestafrika im Wesentlichen erfüllt […]“ (Rehbock 1904:41). Daraus würden wirtschaftliche Vorteile erwachsen, aber auch „politisch durch den Machtfaktor eines stammverwandten Volkes im fernen Südafrika, das […] einer europäischen Macht gegenüber ein nicht zu unterschätzender Bundesgenosse sein kann, wie der Burenkrieg überzeugend gezeigt hat“ (Rehbock 1904:41).
„Die Aufstände der Eingeborenen, die unsere Opfer für das Schutzgebiet so sehr erhöhen, zwingen, um diese Opfer nutzbar zu machen, zum energischen Handeln. Sie haben weite Kreise des deutschen Volkes für Deutsch-Südwestafrika interessiert. Tausende nach Niederschlagung der Aufstände aus Südwestafrika zurückkehrender Krieger werden in ihrer Heimat berichten, wie angenehm es sich in den weiten Steppen des Schutzgebietes bei dem trefflichen Klima leben lässt. Bei dem deutschen Auswanderer wird immer mehr die Lust erwachen, nicht in der Fremde, sondern auf deutschem Boden im fernen Weltteil den Kampf um eine bessere Existenz, als sie die deutsche Heimat zu bieten vermag, zu führen.“ (Rehbock 1904:44) Das Plädoyer für die Nutzbarmachung Deutsch-Südwestafrikas für eine deutsche Besiedelung endet mit dem patriotischen Aufruf an die Deutschen, möglichst bald mit der Besiedelung zu beginnen:

„Das ganze deutsche Volk sollte durchdrungen sein von der Wichtigkeit einer schnellen Besiedelung Deutsch-Südwestafrikas, es sollte wie ein Mann hinter seiner Regierung stehen bei der Lösung der Aufgabe, das mit Waffengewalt eroberte Land auch wirtschaftlich zu erschliessen, zur Förderung des deutschen Erwerbslebens und zur Stärkung der Weltmachtstellung des Deutschen Reiches“ (Rehbock 1904:44).

Heute ist Rehbock vor allem als Begründer des Flussbaulaboratoriums an der Hochschule in Karlsruhe bekannt. Am heutigen KIT gibt es immer noch ein Theodor-Rehbock-Wasserbaulaboratorium im Gebäude 10.84 des Campus‘ sowie einen Theodor-Rehbock-Hörsaal (HS59 im Gebäude 10.81). Zudem findet sich eine Theodor-Rehbock Straße in der Oststadt. Im KIT Archiv findet sich ein großer kolonialpolitischer Nachlass Rehbocks mit zahlreichen Artikeln und Büchern, die er für die DKG verfasst hat, sowie seiner Sammlung an Kolonialliteratur. Die Recherche im Archiv zeigt, dass Rehbock bis 1942 kolonialpolitisch und kolonialwissenschaftlich aktiv war. Im Stadtarchiv Karlsruhe finden sich einige Zeitungsartikel von 1949 bis 2010, die zu Ehren Rehbocks geschrieben wurden (StadtKA 8/ZGS Rehbock, Theodor). Darunter sind ein Artikel aus dem Jahr 1949 zu Rehbocks 85-jährigem Geburtstag, zwei Artikel von 1950 zu seinem Tod, ein Artikel aus dem Jahr 1967 aus einer Reihe über Oberrheinische Erfinder, Ingenieure und Fabrikanten, ein Artikel über eine zweitägige Festveranstaltung am KIT zu Ehren Rehbocks aus dem Jahr 2000 und ein weiterer Artikel aus dem Jahr 2010 aus einer Reihe der BNN, die über „verdiente Wissenschaftler der Fächerstadt“ berichtet. Auffallend ist, dass zunächst seine Reise nach Süd(west)afrika nur mit dem Hinweis „Forschungsreise“ versehen wurde (vgl. SAZ 16.04.1949, BNN 24.10.1950), die bewundernd unter die Summe der aufgezählten Verdienste fiel: „ [er] hatte als Leiter einer Expedition zur Feststellung der Bewässerungsmöglichkeiten Deutsch-Südwestafrika bereist und dort, begleitet von Eingeborenen, achttausend Kilometer im Ochsenwagen und zu Pferd zurückgelegt. Weitblick und Erfahrung begleiteten ihn, als er nach Karlsruhe kam.“ (BNN 1950) Auch wurde das Reisen allgemein als Ausdruck seiner wissenschaftlichen Neugierde gedeutet. So heißt es beispielsweise in der BNN vom 11.02.1967:

„Die Fülle der von Rehbock bearbeiteten Stoffe ist ebenso bewundernswert wie die Ingenieurleistungen selbst, die auf ihn zurückgehen. Theodor Rehbock kannte so gut wie alle Strom- und Wasserkraftprobleme nicht etwa nur Deutschlands, sondern auch aller Kulturnationen sonst. Er schilderte die Wasserstraßen durch die kanadischen Seen, die Möglichkeit der Nutzbarmachung des Wassers im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, den wirtschaftlichen Wert der Subtropen in seiner Abhängigkeit von der Wasserfrage […] und so fort.“

Auch wenn es sich um Forschungsreisen gehandelt haben mag, gibt es keinerlei Hinweise auf den Kontext, den Auftraggeber und – was am Wichtigsten ist – das Ziel dieser Forschungsreisen, nämlich die Kolonisierung des Gebietes. In dem Artikel Ekart Kinkels aus der BNN vom 05.01.2010 wird die Reise nach Südafrika nicht einmal mehr erwähnt, sondern nur noch die Reisen nach Südamerika und Nordafrika als Zeichen dafür, dass Rehbock nicht nur „Wissenschaftler im Elfenbeinturm“ gewesen wäre: „Als Mann der Praxis verließ Rehbock so oft es ging den Elfenbeinturm der Forschung und unternahm Exkursionen nach Südamerika und Nordafrika.“
Letztendlich konnte im Stadtarchiv Karlsruhe kein Hinweis auf eine kritische Auseinandersetzung mit Theodor Rehbock als Person und seine Forschungsreisen gefunden werden.m“ gewesen wäre: „Als Mann der Praxis verließ Rehbock so oft es ging den Elfenbeinturm der Forschung und unternahm Exkursionen nach Südamerika und Nordafrika.“

Letztendlich konnte im Stadtarchiv Karlsruhe kein Hinweis auf eine kritische Auseinandersetzung mit Theodor Rehbock als Person und seine Forschungsreisen gefunden werden. Stattdessen wird dieser Aspekt seiner Person vollkommen ausgeblendet. Gerade im Kontext des Postkolonialen ist es wichtig, sich auch mit verschiedenen Seiten auseinanderzusetzen und zu differenzieren: wer hat von der Forschung profitiert, wer nicht und wer wird bei der Auseinandersetzung übersehen? Warum wird der Kolonialaspekt komplett ausgeblendet? Wer hat hier die Hoheit über den Diskurs?